kedd, november 02, 2010

Was wäre, wenn......


László Gatter, Vorsitzender des Budapester Obergerichts hat seinen Rücktritt zum Teil deshalb eingereicht, weil das Eingreifen der Regierungspartei Fidesz in die Arbeit des Verfassungsgerichtes „nicht seinem juristischen Geschmack entspricht“. Zumindest stand dies auf Platz eins der Liste der Gründe für seinen Rücktritt.
Dieser Eingriff könne nämlich seiner Meinung nach bedeuten, dass ein Urteil, das „aus irgendeinem Grund den Betroffenen nicht gefällt“, später, durch eine erneute Gesetzänderung außer Kraft gesetzt werden könne. Er fügte hinzu, dieses Vorgehen sei „eine ziemlich riskante Auffassung“ vom Rechtsstaat.
Die Fidesz Bürgerliche Union schafft die Demokratie von Tag zu Tag, Schritt für Schritt ab. Wenn die Partei ein Gesetz vom Parlament verabschieden lässt, in dem es darum geht, dass sie mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht einverstanden ist, und die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichts einschränken lässt so dass sie mit dieser Situation nie wieder konfrontiert wird, dann bedeutet dies die praktische Einführung der Diktatur. Bis jetzt konnte man noch darüber diskutieren, ob Orbán ein Diktator sei, oder nicht, oder noch nicht oder nicht so eindeutig. Ab jetzt steht es außer Zweifel.
Das, was er jetzt mit dem Verfassungsgericht vorhat, bedeutet einen Wendepunkt, von dem es mit Demonstrationen und Petitionen im Parlament, mit sogenannten zivilen Mitteln kein Zurück mehr gibt. Das Gewissen der Zweidrittler* und ihrer Wähler funktioniert nicht. Dass es so weit kommen konnte, liegt auch an uns, doch wir haben jetzt keine friedlichen Mittel mehr, diese Willkür zu stoppen. Und gewalttätig wollen wir ja nicht werden, da wir Europäer sind. Wir haben niemanden, mit dem wir uns zusammenschließen könnten, sind ja selbst in unseren eigenen Reihen nicht einig. Auch bei uns ist oft zu hören: „ich schließe mich Euch nur an, wenn der und der nicht dabei ist“.
Eine Schande ist das. Mag sein, dass wir uns einmal aus dieser Situation befreien, doch bereits jetzt ist es zu spät.
Vielleicht kann das Verfassungsgericht, oberster Hüter der Gesetze, helfen. Vielleicht. Wenn nach der voraussichtlichen parlamentarischen Verabschiedung des Gesetzesvorschlages durch den Fidesz alle Verfassungsrichter ihre Ämter niederlegen würden. Wenn in ihren Begründungen explizit stünde, sie könnten nicht Mitwirkende an der Abschaffung des Rechtsstaates sein. So ein Schritt würde vielleicht Orbán und seinen Anhängern dazu verhelfen, zu verstehen, dass es schlimm um Ungarn steht. Denn, sollte das Gesetz verabschiedet werden, würde das bedeuten, dass der Staat zerfällt, und das Regieren selbst dann unrechtmäßig wäre, wenn es ansonsten den Gesetzen entspräche. Ein solcher Schritt der Verfassungsrichter könnte eine die Welt aufrüttelnde Mahnung bedeuten, derer würdig, die ihren Eid als Hüter des demokratischen Rechtsstaats ablegten.
Keine Angst! Orbán würde keinen einzigen finden, der sich trauen würde, ihre Plätze einzunehmen. Es gibt ja einen höheren Ethos, als den einer verderbten Macht.

*Orbán und seine Leute berufen sich oft auf die besondere Ermächtigung, die ihnen vom Volk dadurch erteilt wurde, dass bei den letzten Parlamentswahlen im April 2010 über zwei Drittel der Bürger Fidesz wählte. Das ist im Übrigen falsch; bei einer Wahlbeteiligung von 64,4 % erhielt Fidesz 53,2 % der abgegebenen Stimmen. Nur das ungarische Wahlsystem ermöglicht so etwas: Fidesz erhielt mit den Stimmen von 53,2 % der Wähler (also nur 34,3 % aller Wahlberechtigten!) 68,1 % der Sitze im Parlament und verfügt somit über eine Zweidrittelmehrheit. Das ermöglicht dem Fidesz die Verfassung zu ändern, was er nun auch tut.
(Übersetzung: Nagy Dénes Lajos)

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